Fieps, der kleine Spatz, saß mit seinen beiden Geschwistern, Zwitscherchen und Schnäbelchen, im wohlig warmen, weichen Spatzennest.
Fieps saß allerdings im letzten Winkerl des Nestes – er machte sich immer ganz klein – ja nicht auffallen, dachte er. Während seine Geschwister ganz vorne im Nest schon ganz am Rande herumhüpften und ihre Köpfchen vorwitzig in die Sonne streckten, blieb Fieps lieber ganz hinten und zählte seine Federn oder dachte sich mutige Geschichten aus.
Schnäbelchen hatte immer Hunger, und sobald Mama-Spatz oder Papa-Spatz mit einem Leckerbissen kamen, riss Schnäbelchen seinen Schnabel schon weit auf und hoffte, als Erster gefüttert zu werden. Es nützte ihm allerdings nicht wirklich viel, denn die Eltern waren sehr darauf bedacht, dass alle drei Spatzenkinder gleich viel zu essen bekamen.
Zwitscherchen zwitscherte die ganze Zeit vor sich hin. Das Kleine verschluckte sich oft beim Essen, da es auch dabei immer zu zwitschern versuchte. „Ich habe die allerschönste Stimme“, zwitscherte es.
Fieps musste immer extra zum Essen gerufen werden. „Was ist denn mit dir nur los?“, seufzte Mama-Spatz oft. Es war ja nicht so, dass Fieps keinen Hunger hatte. Fieps war auch neugierig, was sich in der Vogelwelt so abspielte. Aber er war so schüchtern und getraute sich nicht mit seinen Geschwistern zu spielen und er hatte fürchterliche Höhenangst. „Was ist, wenn ich mich beim Spielen tollpatschig anstelle und meine Geschwister lachen mich dann aus? Ich würde mich fürchterlich genieren. Oder wenn ich zu nahe an den Rand unseres Nestes komme und womöglich aus dem Nest falle? Was würde dann mit mir passieren? Fliegen kann ich ganz bestimmt nicht.“
Schnäbelchen und Zwitscherchen übten schon fleißig mit den Flügeln zu schlagen, damit sie bald in die Welt hinaussegeln könnten. Fieps graute vor dem Gedanken: „Der Boden wäre dann so weit weg! Oh diese Höhe!“ Und er drückte seine kleinen Flügel ganz fest an seinen Körper.
Seine Geschwister versuchten oft, ihn aus seinem Winkerl herauszulocken. „Fieps, schau diese hübschen kleinen Wolken schauen aus, wie wenn jemand weiße Federn in den Himmel geworfen hätte“. Fieps sagte nur: „Ahaaa!“ Er dachte aber: „Das ist bestimmt hübsch anzuschauen, aber da müsste ich ganz nach vorne und das geht gar nicht.“
Der kleine Spatz hatte momentan kein schönes Leben. Er hatte Angst ausgelacht zu werden und Angst abzustürzen.
Mama- und Papa-Spatz machten sich große Sorgen um den kleinen Vogel. Was soll aus ihm nur werden? Statt Spielen und Zwitschern konnte er rechnen und sich Geschichten ausdenken – nicht, dass dies keine tollen Eigenschaften wären – aber halt nur nicht genau das Richtige für einen kleinen Spatzen.
Papa-Spatz dachte sich: „Ich könnte ja einmal bei den Elfen auf der Elfenwiese fragen, ob die ein Mittel gegen die Angst von Fieps haben.“
Gesagt – getan. Er flog zur Wiese und rief nach Achillea: „Achillea, ich brauche deinen Rat. Vielleicht könnt ihr Elfen mir helfen.“ „Papa-Spatz, was hast du für ein Problem?“, fragte Achillea, die sofort geflogen kam, als sie den Spatzenvater hörte. „Fieps, mein kleines Spatzenkind, ist so schüchtern und ängstlich. Er getraut sich nicht zu spielen und ist davon überzeugt, niemals fliegen zu können, da er bestimmt abstürzen würde.“
Achillea rief die Elfen der Wiese und erzählte von den Sorgen des Spatzenvaters. Sie beratschlagen hin und her, welche Pflanze wohl für den kleinen Spatz geeignet wäre. Die Fee des Hornklees meldete sich zu Wort: „Meine Pflanze ist zwar schwach giftig, aber ein, zwei Blütenblätter vom Horn nehmen die Angst und machen den, der es nimmt stark wie einen Stier mit großen Hörnern.“ Und Mentha, die Elfe der Ackerminze, sagte: „Der belebende Duft meiner Pflanze wird ihm Mut und Energie geben. Wir mischen dir 2 Blütenblätter vom Hornklee und zwei Blätter der Minze zusammen. Die gibst du dann deinem Kleinen zum nächsten Leckerbissen dazu. Die Blätter schmecken zwar nicht besonders gut, aber mit einer dicken Fliege zusammen wird Fieps sie bestimmt essen.“ Papa-Spatz bedankte sich überschwänglich für die Hilfe, nahm seine Mischung und machte sich auf dem Weg zum Nest. Unterwegs fing er gleich eine dicke Fliege, die er in die Pflanzen einwickelte.
Als er zum Nest kam, riss natürlich Schnäbelchen seinen Schnabel weit auf und wollte unbedingt den Leckerbissen, den Papa da brachte. „Nix da“, sagte Papa-Spatz, „das bekommt jetzt Fieps, der braucht die Pflanzen und die Fliege unbedingt. Fieps, mach deinen Schnabel auf! Ich hab‘ was für dich.“ Fieps wurde schon wieder nervös. „Wer weiß, was ich da nehmen muss? Womöglich macht es mich schwindlig, oder ich verlerne das Rechnen?“ „Na komm“, sagte Papa-Spatz, „mach den Schnabel auf und runter damit. Du wirst sehen, deine Ängste werden im Nu verschwinden und über deine Schüchternheit wirst du lachen, weil sie dir so lächerlich vorkommt.“ „Also gut, Schnabel auf und durch. Oh, das schmeckt ja gar nicht so schlecht!“ Und pieeps, das wirkt wie eine Rakete. Fieps schüttelte sich, spreizte seine kleinen Flügel und ging tapfer zum Rand des Nestes. Seine Geschwister waren sprachlos – der kleine Feigling auf einmal so mutig.
Fieps konnte gar nicht fassen, was er da alles sah – die kleinen weißen Wolken sahen wirklich aus wie Federn und die Sonne, wie die strahlte und angenehm auf den Flügeln war. Er war überglücklich und auf einmal begann er mit seinen kleinen Flügeln zu schlagen und schwups stürzte er sich über den Rand des Nests hinaus. Oh, zuerst ging es bergab! „Ich kann ja doch nicht fliegen“, schrie er und vor Schreck schlug er mit seinen Flügeln auf und ab. Da begann er zu segeln und flog ganz sanft einen kleinen Kreis und landete wieder im Nest. Seinen Geschwistern blieb der Schnabel vor Staunen offen. Zwitscherchen vergaß sogar zu zwitschern, und Schnäbelchen vergaß seinen Hunger. Fieps, der sich Geschichten ausdenken und rechnen konnte, flog jetzt.
Da spreizten beide auch ihre Flügel und machten ihren ersten Flugversuch – huch, gelungen! Aufgeregt saßen alle drei Kleinen im Nest und Mama-Spatz und Papa-Spatz platzten fast vor Glück.
Und so haben die Pflanzen von der Elfenwiese wieder einmal geholfen. Sie wollen keinen Dank dafür, aber es sollte uns Menschen bewusst sein, dass Mutter Erde für jedes Problem ein Kräutlein bereit hat.
Es gibt vieles über die magischen Kräfte der Pflanzen zu erzählen – machen sie einen Kräuterspaziergang mit mir oder besuchen sie mein Seminar „ein Bisschen Magie im Alltag“.
Dieses wundervolle Kinderbuch entführt in eine phantasievolle Welt liebevoll gezeichneter Illustrationen. Umrahmt von heiteren Texten, wird der Betrachter zum Schmunzeln, Staunen und Lachen gebracht.